DADDIO - EINE NACHT IN NEW YORK FILMKRITIK

Ein gelungenes Kammerspiel – das ist gekonnter Minimalismus. Eigentlich wollte Regisseurin Christy Hall ihr Werk DADDIO auf die Theaterbühne bringen, doch je länger sie an dem Stück arbeitete, desto intensiver wurde der Wunsch, die Geschichte als Film zu realisieren. Eine gute Entscheidung: DADDIO – EINE NACHT IN NEW YORK ist ein stimmiger Film geworden.

Zwei außergewöhnliche Schauspieler geben ihr Bestes: Dakota Johnson als namenslose junge Frau und Sean Penn als Taxifahrer Clark.

Der Film spielt in einem Auto in New York. Am Flughafen JFK steigt eine junge Frau nachts nach einer anstrengenden Reise in ein Taxi. Sie ist müde, erschöpft und vielleicht auch ein bisschen traurig, und sie möchte nur eins, möglichst schnell nach Hause in ihre Wohnung in Manhattan. Sie ist distanziert, abgelenkt durch Textnachrichten auf ihrem Handy, die sie von einem Mann bekommt.

Doch sie hat einen sehr speziellen Taxifahrer erwischt. Clark ist Menschenkenner, empathisch und lebenserfahren. Nach und nach öffnet sie sich seinen Fragen, erzählt von ihrer aktuellen Affäre mit einem verheirateten Mann. Dass Clark als älterer Man sie daraufhin mit Platitüden wie „Sag ihm niemals, dass du ihn liebst“ berät und stereotype Rollenklischees bedient, ist eher komisch und wird von der jungen Frau, wie sich herausstellt eine IT-Expertin, selbstbewusst gekontert. Bald stellt auch sie ihm die richtigen Fragen und der burschikose New Yorker Taxifahrer gibt immer mehr Einblick in sein Leben. Er resümiert über seine gescheiterten Ehen, verpassten Chancen und die lebenslange Suche nach den richtigen Entscheidungen.

DADDIO – EINE NACHT IN NEW YORK überzeugt durch seine Dichte und Intensität. Die Dialoge flitzen nur so hin und her, temporeich, witzig und unterhaltsam. Dass der Film funktioniert, liegt an Christy Halls ausgefeiltem Drehbuch und der Spielfreude von Dakota Johnson und Sean Penn. Johnson (übrigens die Tochter von Melanie Griffith und Don Johnson, und die Enkelin von Tippi Hedren) kennt man aus der Erotik Trilogie FIFTY SHADES OF GREY(2015) oder dem Arthouse Film CHA CHA REAL SMOOTH (2022). Vor kurzem war sie als Cassandra Webb im Marvel Superheldinnen Film MADAME WEBB zu sehen.

In DADDIO macht sie Facetten auf, die ich in ihren vergangenen Rollen so noch nicht wahrgenommen habe: sie ist subtil, zeigt eine hohe Sensibilität, Transparenz und Verletzlichkeit. Im Zusammenspiel sind die beiden Schauspieler umwerfend. Sean Penn, zweifacher Oscarpreisträger (MYSTIC RIVER, Clint Eastwood, 2003) und MILK, Gus van Sant, 2008) entfaltet mit Lust sein Können und Charisma – es macht Spaß, den beiden zu folgen.

Kammerspiele im Film sind eine besondere Herausforderung, sie verlangen von allen Beteiligten ausgefeilte Vorbereitungen und hohe Konzentration. Die gesamte Handlung findet oft nur an einem Ort statt, die Einheit von Ort, Zeit und Handlung ist charakteristisch, der Fokus liegt auf den handelnden Figuren. Ein beengter Spielraum, das „eingesperrt sein“ ermöglicht den Schauspielern, sich unmittelbar miteinander und mit sich selbst zu beschäftigen.
Berühmte Beispiele für erfolgreiche Kammerspiele sind unter anderen: Alfred Hitchcocks DAS FENSTER ZUM HOF(1954) Ingmar Bergmanns SZENEN EINER EHE, (1973) Romuald Karmakars DER TOTMACHER (1995) Roman Polanskis DER GOTT DES GEMETZELS (2011) oder Graham Moores THE OUTFIT (2022)

Christy Halls DADDIO spielt neben der Eröffnungs-und Abschlusssequenz ausschließlich in einem Taxi. Zwei Menschen auf begrenztem Raum in einem Film, der 101 Minuten lang ist – und das wird keine Sekunde langweilig.

Die Kamera von Phedon Papamichael findet immer wieder neue, überraschende Perspektiven, ergänzt durch Impressionen des nächtlichen Highways und des New Yorker Nachtlebens.

Beide Protagonisten lassen uns tief in ihr Innenleben schauen. Aus dem Smalltalk entwickelt sich im Laufe des Films ein intensives Gespräch, das immer mehr an Tiefe gewinnt. Geheimnisse und verborgene Wünsche treten ans Licht, die Vergangenheit blitzt auf, Kindheitserinnerungen und vergangene Verletzungen und Traumata werden offenbar. Es geht um Wahrheit und um Illusion, um Schmerz und Hoffnung.

Ein Mann und einen schöne, junge Frau in einem Taxi – das Besondere: an keiner Stelle gleitet der Film in eine Liebesgeschichte ab, Clark und sein weiblicher Fahrgast sind schlicht zwei Menschen, die sich für kurze Zeit begegnen und sich vorbehaltlos einander anvertrauen.

DADDIO ist das Filmdebüt von Christy Hall, sie verfasste das Drehbuch und ist Mitproduzentin. Zuvor war Hall unter anderem an dem Drehbuch für die Fernsehserie I AM NOT OKAY WITH THIS beteiligt.

Die Proben zum Film fanden in Sean Penns Wohnung statt. Gedreht wurde jedoch nicht in den Straßen New Yorks, sondern in einer Soundstage. Zu Beginn der Dreharbeiten wurde die Taxifahrt real auf den Straßen News York gefilmt, dann gingen die Dreharbeiten in einem aufgebauten Taxi weiter, dank LED Panels tauchte die New Yorker Kulisse im Studio wieder auf..

DADDIO – EINE NACHT IN NEW YORK hat Sogwirkung – als Zuschauer kommt man sich bisweilen wie ein unerlaubter Voyeur vor, so intensiv ist das Zusammenspiel der beiden Protagonisten. Was kann ein Kammerspiel mehr wollen? Ein erfreuliches Debüt.

Filmtitel: Daddio – Eine Nacht in New York
Regie: Christy Hall
Drehbuch: Christy Hall
Produktion: Leonine Distribution, 2023
Filmstart: 27. Juni 2024

 

Leonine Distribution
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