Indiikone, Antidiva, leidenschaftliche Cineastin, androgynes Fabelwesen – Tilda Swinton ist eine der faszinierendsten Schauspielerinnen im Internationalen Kino.
Mit ihren außergewöhnlichen Gesichtszügen, dem androgynen Haarschnitt, den ausgefallenen Looks und ihren heiter gelassenen Auftritten fällt die knapp 1.80m große schottische Schauspielerin auf. Sie ragt heraus, fasziniert, hebt sich immer ein wenig ab von allen anderen.
Über ihre gesamte Karriere hinweg hat Tilda Swinton lustvoll mit Hollywoodklischees und Geschlechtersterotypen gespielt, sich dabei immer wieder elegant Genre-Schubladen und Stilisierungen entzogen und ist sich selbst treu geblieben.
Dieses Jahr ehren sie die 75.Internationalen Filmfestspiele Berlin mit einem goldenen Ehrenbären.
Tilda Swinton kommt gern nach Berlin, ist quasi ein Dauergast auf der Berlinale. Insgesamt 26 Filme hat sie auf der Berlinale vorgestellt, 2009 war sie die Jurypräsidentin.
„Es wird mir ein Privileg und einen Freude sein, einmal mehr diesen inspirierenden Ort zu feiern, der immer wunderbare und anregende Begegnungen ermöglicht“, sagt die Schauspielerin. Die Berlinale sei 1986 das erste Festival gewesen, das sie je besucht hat. Das sei mit Derek Jarmans CARAVAGGIO gewesen, ihrem ersten Film überhaupt. „Das war mein Eintritt in die Welt, in der ich mein bisheriges Lebenswerk geschaffen habe – der Welt des internationalen Filmemachens und ich habe nie vergessen was ich ihr schulde.“ Nun auf diese Weise geehrt zu werden berühre sie zutiefst.
Tilda Swinton kommt aus „guter Familie“, einem der ältesten schottischen Clans, studierte in Cambridge Sozialwissenschaften und Politologie und wandte sich schon während des Studiums der Schauspielerei zu, für kurze Zeit schloss sie sich der Royal Shakespeare Company an.
Der queere Maler und Regisseur Derek Jarman ist der erste Filmregisseur, mit dem Tilda Swinton zusammenarbeitet. Sie spielt in all seinen Filmen mit, u.a. THE LAST OF ENGLAND (1987), EDWARD II (1991) und WITTGENSTEIN (1993). Die beiden verband neben der Arbeit auch ihr politisches Engagement gegen die britische, konservative Regierung von Margret Thatcher und deren rigiden gesellschaftlichen Umgang mit Aids.
Durch Jarmans Filme wird die Regisseurin Sally Potter auf Swinton aufmerksam. Sie engagiert die Schauspielerin für ihren Film ORLANDO (1992) nach dem Roman von Virginia Woolf. Ihr internationaler Durchbruch, ein Film, der bis heute das Image von Tilda Swindon prägt. Swinton spielt eine/einen androgyne/nen Adlige/en auf der Wanderschaft durch 400 Jahrhunderte, mal Mann mal Frau – eine ihrer großen, entscheidenden Rollen.
Bald werden die großen Studios auf die Schauspielerin aufmerksam. 2000 spielt sie in Danny Boyles THE BEACH die gnadenlose Anführerin einer Aussteigergruppe, 2005 ist sie unter der Regie von Andrew Adamson als „Weiße Hexe Jadis „ im Fantasyfilm „DIE CHRONIKEN VON NARNIA zu sehen, dem ersten Film der Reihe.
In Tony Gilroys MICHAEL CLAYTON steht sie als kämpferische Anwältin mit George Clooney vor der Kamera und wird für ihre Darstellung 2008 mit dem Oscar als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet.
Das Werk von Tilda Swinton ist erstaunlich vielseitig. Sie spielt in internationalen Blockbustern, arbeitet mit Regisseuren des amerikanischen Independent-Kinos wie den Coen-Brüderrn, Jim Jarmusch und Wes Anderson, begeistert sich für das europäische Arthousekino.Sie ist aber auch in Experimentalfilmen, Musikvideos und Kurzfilmen zu sehen.
„Die Bandbreite von Tilda Swintons Werk ist atemberaubend“ sagt auch die Festivalchefin der Berlinale Tricia Tuttle. „Sie bringt so viel Menschlichkeit, Mitgefühl, Intelligenz, Humor und Stil ins Kino und erweitert durch ihre Arbeit unsere Vorstellungen von der Welt.“
Tilda Swinton hat sich nie einkaufen lassen für ein Genre, sie hält die Balance zwischen Großproduktionen, Arthouse und dem Indikino, dort, wo sie am besten ihre konzentrierte Schauspielkunst zeigen kann. Filme wie Luca Guadagninos I AM IN LIVE (2009) oder der mehrfach ausgezeichnete Thriller der Regisseurin Lynne Ramsay WE NEED TO TALK ABOUT KEVIN (2011)
Ihr Engagement gilt immer wieder den Frauen hinter der Kamera und ihren Filmen. So wirkt sie in dem 14-stündigen Dokumentarfilmprojekt WOMAN MAKE FILM (2018) mit und unterstützt Projekte mit ihrem prominenten Namen schon in der Produktionsphase.
Ihre Intensität und ihr Können stellt sie auch in Pedro Almodovars Film THE ROOM NEXT DOOR (2024) unter Beweis. Swinton spielt eine krebskranke Frau, die beschließt, ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen. Der Film gewinnt 2024 den Goldenen Löwen in Venedig. Neben Tilda Swinton spielt Julian Moore ihre Freundin, die sie begleitet – intensive, subtile und großartige Schauspielkunst der beiden Frauen.
Mit Spannung im März in Deutschland erwartet wird auch ihr neuester Film THE END unter der Regie von Joshua Oppenheimer. Es ist eines dieser ambitionierten Mammut-Projekte – eine post-apokalyptische Gesellschaftssatire verpackt in einem Musical.
Am 13.Februar ehrt die Berlinale die charismatische Schauspielerin für ihr Lebenswerk.