Noch Anfang 2000 waren Filme von Regisseur*innen aus Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo, aus Vietnam, Malaysia, dem Senegal, Madagaskar oder Mosambik auf den Leinwänden europäischer Filmfestivals kaum präsent.
Das hat sich erfreulicherweise geändert, denn 2004 wurde der WORLD CINEMA FUND (WCF) auf Initiative der Berlinale und der Kulturstiftung des Bundes ins Leben gerufen.
Das Ziel: „…hochwertiges Filmschaffen in Regionen mit schwacher Filminfrastruktur zu fördern, gleichzeitig die kulturelle Vielfalt in die deutschen Kinos zu bringen und die Zusammenarbeit zwischen deutschen und europäischen Produzent*innen und Partner*innen in den WCF-Regionen und-Ländern zu unterstützen.“ (WCF)
Man war zu der Erkenntnis gekommen, dass die Filmbranche den weltweiten Entwicklungen hinterherhinkt. Wie kann man über Demokratisierung sprechen, ohne über die Entkolonialisierung der Filmindustrie und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Regionen nachzudenken und alle Länder global miteinzubeziehen?
Schon bald etablierte sich der WCF als wichtiges Instrument im Bereich der internationalen Filmförderung. Dabei geht es um Unterstützung in den Bereichen Produktion, Postproduktion und dem Verleih von Spielfilmen und dokumentarischen Langfilmen.
Der WCF konzentriert sich auf Förderung von Filmen aus Lateinamerika, der Karibik – und Pazifikregion, dem Nahen Osten, Zentral – und Südostasien, dem Kaukasus, sowie Bangladesch, Nepal, der Mongolei, Sri Lanka und Afrika.
Die Idee ging auf, das beweist der zunehmende Erfolg der Filme bei Kritik und Publikum. Wenn man sich die Programme der großen anerkannten Filmfestivals anschaut, hat die kulturelle Vielfalt von Filmen, spannenden Geschichten und Inneneinsichten aus strukturschwachen Ländern zugenommen – eine große Bereicherung der Filmszene.
Letztes Jahr auf der Berlinale zum Beispiel wurde die Regisseurin Appoline Traoré aus Burkina Faso mit dem Panorama Publikumspreis ausgezeichnet. Ihr Film SIRA traf nicht nur den Nerv vieler Kritiker, sondern faszinierte auch die Berlinale – Zuschauer.
Traoré zeigt ein Land, das vielen Zuschauern fremd ist. Sie stellt uns eine Frau vor, die in der Sahelzone um ihr Leben und ihre Würde kämpft, in einem rechtlosen Kriegsgebiet, in dem ausschließlich Männer regieren, die Frauen sind ihnen machtlos ausgeliefert. Sira, eine junge muslimische Nomadin, ist die Protagonistin des Films. Mit ihrer Familie ist sie auf dem Weg zu ihrem Bräutigam, einem Christen. Unterwegs überfallen islamistische Terroristen die Familie, Sira wird entführt und vergewaltigt und mitten in der Wüste dem vermeintlich sicheren Tod überlassen. Doch die junge Nomadin gibt nicht auf. In fesselnden Bildern erzählt uns Appoline Traoré die Geschichte einer starken Frau und ihres dramatischen Überlebenskampfes.
Auf der Pressekonferenz betonte die Regisseurin, dass es immer noch sehr schwierig sei, Filme aus Afrika zu finanzieren.
Ihr Ziel sei es, „dass afrikanische Filme verstärkt auch auf anderen Kontinenten gezeigt werden, um dort die Menschen mit der afrikanischen Kultur bekannt zu machen.“
In den letzten Jahren feierten WCF- geförderte Filme Premieren auf vielen großen Filmfestivals, unter anderem in Cannes, Locarno und Venedig.
Der Erfolg des WCF ebnet den Weg für weiteren Aktivitäten, so hat die Kulturstiftung des Bundes im Dezember 2023 entschieden, den WCF als kulturellen Leuchtturm bis 2029 zu fördern, die Fördersummen werden erhöht.
Vincenzo Bugno, der Leiter des WCF meint dazu
„Die über 350 WCF-geförderten Filme der letzten 20 Jahre sind Zeugnis spanender und vielfältiger Filmkunst , der Eröffnung neuer Perspektiven, des Austauschs und Dialogs. Unsere Arbeit erfordert Kontinuität, gepaart mit einem genauen Blick auf die sektoralen Veränderungen in den oft sehr unterschiedlichen Ländern des WCF. Wir freuen uns, diese Arbeit mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes fortsetzen zu können.“
Auch dieses Jahr ist der Erfolg des WCF auf der Berlinale auffallend. Das Festival zeigt insgesamt 12 WCF -geförderte Werke, zwei Filme im WETTBEWERB, zwei in der Reihe ENCOUNERS, das PANORAMA stellt vier Produktionen vor, im FORUM werden drei Filme gezeigt und in der Jugendsektion GENERATION gibt es einen WCF geförderter Film. Diese Werke sind das Ergebnis einzigartiger Koproduktionen und vermitteln trotz mancher struktureller Produktionsschwierigkeiten Blicke in Regionen, die noch im vergangenen Jahrhundert auf der Leinwand kaum sichtbar waren.
Afrika ist mit fünf WCF -geförderten Filmen in verschiedenen Berlinale Sektionen vertreten – neue Stimmen, neue Geschichten, neue Sichtweisen im afrikanischen Kino!
Im Wettbewerb wird PEPE von Nelson Carlos de Los Santos Arias gezeigt – Dominikanische Republik / Namibia / Deutschland / Frankreich
Encounters zeigt DEMBA des Regisseurs Mamadou Dia – Senegal / Deutschland
Im Panorama ist TONGO SAA (Rising Up at Night) von Nelson Makengo zu sehen – Demokratische Republik Kongo / Belgien / Deutschland / Burkina Faso / Katar
Das Forum zeigt den Dokumentarfilm AS NOITES AINDA CHEIRAM A POLVORA (The Nights Still Smell of Gunpowder) von Inadelso Cossa / Mosambik / Deutschland / Frankreich / Portugal / Niederlande / Norwegen
Die Jugendreihe Generation präsentiert den Spielfilm DISCO AFRIKA: une histoire malgache (DISCO AFRIKA: A Malagasy Story) von Luck Razanajaona – Madagaskar / Frankreich / Deutschland / Mauritius / Südafrika / Katar
Für die Regisseur*innen spielen die Synergien auf der Berlinale eine wichtige Rolle, sie können von der Zusammenarbeit mit dem „Berlinale Co-Production Market“, den „Berlinale Talents“ und dem „European Filmmarket“ profitieren und so ihre Filme erfolgreicher vermarkten.
Um Missverständnissen vorzubeugen, die WCF- geförderten Werken werden nicht automatisch zum Festival eingeladen, sie durchlaufen den gleichen Auswahlprozess wie alle anderen Festivalfilme.
Mein Fokus in diesem Berlinale Jahr sind die WCF- geförderten Filme aus Afrika, im Laufe des Festivals werde ich einige von ihnen vorstellen.
(Quelle: WCF, Berlinale 2024)