Er ist in Berlin, zu Gast auf der Berlinale und stellt seine Ukraine-Dokumentation SUPERPOWER vor: Sean Penn – zweifacher Oscarpreisträger, berüchtigter Hollywoodkritiker, begnadeter Schauspieler und erfolgreicher Regisseur.
Der Film SUPERPOWER, den Sean Penn gemeinsam mit Co-Autor Aaron Kaufman in der Reihe Berlinale Special Gala präsentiert, ist sicher einer der Höhepunkte des Festivals. Schon auf der Pressekonferenz im Januar kündigte der künstlerische Leiter Carlo Chatrian das Werk als ein wichtiges politisches Highlight der Berlinale an. „Dies ist ein Dokumentarfilm, der unter sehr schwierigen Umständen entstanden ist, aber es ist auch ein Film, der die Rolle von Kunst und Künstlern in schwierigen Zeiten erzählt“, sagte Chatrian bereits bei der Vorstellung des Programms.
Auf der heutigen Pressekonferenz nach der Weltpremiere von SUPERPOWER am Freitagabend betonte Penn, es gehe ihm in der Dokumentation vor allem darum, den Freiheitskampf der Ukraine darzustellen.
SUPERPOWER ist auch ein Porträt des Präsidenten der Ukraine Wolodymyr Selenskyj, den die beiden Regisseure mehrmals in Interviews zeigen. „Dieser Mann hat mir gerade das Gesicht, den Mut gezeigt“ sagt Penn im Film „Und diesen Mut habe ich in den Gesichtern aller Ukrainer gesehen.“
Ursprünglich wollten Penn und Kaufman eine ganz andere Geschichte erzählen. Der Plan der beiden Regisseure war es, einen humorvollen Film über Wolodymyr Selenskyjs ungewöhnliche Karriere vom bekannten Schauspieler und Komiker zum Staatschef der Ukraine zu drehen. Relikte dieser Idee sind anfangs noch als Ausschnitte im Film zu sehen: Selenskyj als Komiker in Klamauk Shows, dann in der Fernsehserie „Diener des Volkes“ in der er einen Lehrer spielt, der zum Präsidenten wird – seltsam, wie Fiktion die Realität vorwegnimmt.
Als die Regisseure Sean Penn und Aaron Kaufman im November 2021 mit den Dreharbeiten zu SUPERPOWER begannen, schien eine russische Invasion der Ukraine durch Wladimir Putin noch nicht wirklich vorstellbar. Penn und Kaufman reisten in das Land, um mehr über Wolodymyr Selenskyj und die Ukraine zu erfahren. Interviews mit Aktivisten des sogenannten Euromaidan, Recherchen über den 2014 begonnenen Krieg in der Ostukraine, der Annexion der Krim. Für den 24. Februar 2022 hatte der Präsident mit den beiden Regisseuren ein Interview vereinbart. Genau an diesem Tag begann die russische Invasion. Plötzlich war die Stadt im Ausnahmezustand – der Aufmarsch der russischen Truppen an den Grenzen wurde immer bedrohlicher, die Crew blieb. Penn und Kaufmann wurden unmittelbar Augenzeugen des Kriegsbeginns, das sind bedrückende Szenen im Film. Noch in der Nacht der Invasion führte Penn das erste von mehreren Interviews mit Selenskyj. Als erfahrener Medienmensch wusste Selenskyj genau, was die Unterstützung des prominenten Hollywoodregisseurs bewirken könnte. Penn, tief betroffen von dem, was er in Kiew und während der Dreharbeiten mit seinem Filmteam erlebt, wird zum inoffiziellen Botschafter für die Ukraine und ihren Staatschef.
Wer eine Hintergrundanalyse des Krieges erwartet, wird enttäuscht, der Film ist eher eine Bestandsaufnahme des einjährigen Krieges, fast eine Echtzeit Reportage der Geschehnisse in den letzten zwölf Monaten. Im Zentrum, und manchmal zu omnipräsent, Sean Penn in allen Lebenslagen, als Interviewer, als Augenzeuge. Er trifft Sicherheitsexperten, Aktivisten, Anwälte und immer wieder auch den ukrainischen Präsidenten. Mit einem Drink neben sich und einer Zigarette in der Hand spricht er mit Journalisten, er interviewt Soldaten, redet mit Menschen, deren Angehörige bei den Euromaidan Protesten umkamen. Er fährt mit seiner Crew an die Front, ist in Schützengräben. Man sieht ihm an und spürt, wie sehr ihm dieser Krieg unter die Haut geht, wie ihn das Geschehen mitnimmt.
Bei der Premiere in Berlin sagt Co-Regisseur Aaron Kaufmann über die Anfänge: „Ich denke keiner von uns verstand richtig, was in der Ukraine los war. Dann haben wir viel Zeit dort verbracht und wir haben uns in die Menschen verliebt, wir haben uns auch in diesen Idealismus verliebt. Nach den letzten vier oder fünf Jahren amerikanischer Politik hatten wir die Verbindung verloren zu etwas, was sie haben: Sie haben unterschiedliche Ansichten, unterschiedliche Lebensweisen, aber sie wollen alle besser werden und sie wirkten sehr geeint”
SUPERPOWER ist weit mehr als nur ein Film für Sean Penn, es ist nicht das erste Mal, dass der Hollywoodstar auch als Aktivist auftritt. Er sieht sich in einer Mission, fordert mehr Aufmerksamkeit gegenüber dem Ukraine-Krieg, gerade auch in seinem Heimatland USA, mehr Unterstützung und mehr Waffen. Und damit schließt sich der Kreis zu seinem „Hauptdarsteller“ in SUPERPOWER Wolodymyr Selenskyj. Der stellt zur Eröffnung der Berlinale in einer emotionalen Videoschalte die Frage: „Kann sich die Kunst aus der Politik heraushalten?“ Und stellt dann fest, die Kunst könne nicht indifferent bleiben, denn in der Stille werde die „Stimme des Bösen nur lauter und überzeugender“.
SUPERPOWER
Regie: Sean Penn, Aaron Kaufman
USA 2023
Dokumentarische Form