Filmkritik MEGALOPOLIS

Welche Wucht! Welch hohe Ambitionen! Ein philosophisches Meisterwerk sollte MEGALOPOLIS werden. Gleich im Vorspann erfahren wir, Francis Ford Coppola will nichts weniger erzählen, als eine Fabel über die Menschheitsgeschichte.

Der Film MEGALOPOLIS war schon in Cannes einer der heiß erwarteten Filme des Festivals, und er war nach seiner Premiere auch einer der umstrittensten und divers diskutiertesten Werke. Die Reaktionen reichten von Begeisterung und Faszination „ein formell und visuell kühnes Experiment“ schrieb Bilge Ebiri vom New York Magazine – über Irritation und Abneigung bis zum völligen Verriss: „ein Herzensprojekt ohne Herz, ein aufgeblasener, langweiliger, verblüffender, oberflächlicher Film voller Musterschüler-Wahrheiten über die Zukunft der Menschheit“ urteilte Peter Bradshaw vom Guardian.

Vielleicht wollte Coppola genau das: provozieren, es allen noch einmal zeigen, Grenzen übertreten. Sein Altersvermächtnis!

Schon seit 40 Jahren beschäftigt Francis Ford Coppola die Idee eines Science-Fiktion Epos über das Schicksal der Menschheit. Jetzt mit 85 Jahren hat er seinen Traum verwirklicht. Keine der großen Filmfirmen wollte das Projekt finanzieren, schließlich investierte er 120 Millionen Dollar aus eigener Tasche, um sein Opus Magnum zu realisieren.

Der Film spielt in „New Rome“, eindeutig als New York erkennbar, verwoben mit Bezügen zum römischen Reich. Eine Stadt, gebeutelt von Korruption, Exzessen und dem Verfall der Moral, eine dem Untergang geweihte Metropole – für Coppola ein Symbol für den Zustand unserer Welt.

Im Mittelpunkt zwei Antagonisten, die sich darüber streiten, wie die Stadt in Zukunft gestaltet werden soll: Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) will alles so belassen, wie es ist und hält an seinen konservativen Ideen fest. Der Nobelpreisträger, Architekt und Erfinder Cesar Catilina (Adam Driver) will seine visionären Pläne umsetzen und träumt von einer Metropole, die die Menschen durch ihre Schönheit und visionäre Kraft inspiriert. Er hat ein Baumaterial erfunden, Megalon, gelb schimmernd und durchsichtig, mit dem er seine Stadt der Zukunft gestalten will.

Es liegt nahe, dass Coppola auf Ereignisse und Machtkämpfe im Rom 63 vor Christus anspielt, auf die Verschwörung des Lucius Sergius Catilina gegen Cicero.
Neben Cicero und Cesar treten im Film weitere Figuren auf, die auch namentlich als Symbolcharaktere zu deuten sind, etwa Hamilton Crassus III, (Jon Voight) ein skrupelloser Finanzmogul, der nicht zufällig an Donald Trump erinnert, oder sein Enkel Clodio Pulcher (herrlich in seiner Widerlichkeit Shia LaBeouf), den es aus Macht- und Prestigegründen in die Politik zieht.

Natürlich muss auch eine Lovestory ihren Platz finden. So verliebt sich die Tochter des Bürgermeisters Julia (Shakespeare lässt grüßen) ausgerechnet in dessen Gegenspieler, den Architekten Cesar; stark in der Rolle der zerrissenen Frau zwischen Vater und Liebhaber Nathalie Emmanuel.

Bis dahin lässt sich der Plot noch erahnen, wäre da nicht die sprunghafte Dramaturgie, das Fehlen einer stringenten Handlung und eines roten Fadens.

Coppola setzt sich bewusst über Sehgewohnheiten hinweg. Sein Film lebt von Assoziationen, Ideen, Anspielungen, Sprüngen, witzigen Slapstick-Einfällen, klassischen Zitaten (von Plato, Shakespeare über Voltaire, bis Emerson, u.a.) von Referenzen und Showeinlagen – das alles lose miteinander verwoben oder eben auch nicht. Das ist mal grandios, mal irritierend, bisweilen bedeutungsschwanger, dann wieder wenig subtil, ja banal. Und dennoch sind die 138 Minuten des Films packend genug, um dabei zu bleiben.

Visuell sorgt Coppolas Film immer wieder für Überraschungen. Gleich zu Beginn sinniert Cesar, der Architekt und Visionär, auf einem freischwebenden Cat Walk über der Skyline von New Rome über das Leben – anhand eines Shakespeares Monologs.

Altmeister Coppola bietet alles auf, was die digitale „Trickkiste“ zu bieten hat und wartet mit den verschiedensten Stilmitteln, Verfremdungselementen und visuellen Effekten auf. MEGALOPOLIS besticht durch eine Explosion von ungewöhnlichen, teils überraschenden, teils antiquarischen optischen Einfällen und futuristischen Visionen, wie zum Beispiel einem Wrestling-Kampf in einem riesigen Kolosseum, bestückt mit Neonreklamen.

Dass er Filme machen kann, muss der fünffache Oscargewinner Francis Ford Coppola nicht mehr beweisen. Er ist der Kult Regisseur, der Macher von DER PATE-TRIOLOGIE, (1972, 1974,1990), das Mafia Epos ist weltweit bekannt.
Sein Meisterwerk APOCALYPSE NOW ist bis heute Kult, gehört zu den wichtigsten Antikriegsfilmen. 1979 bekam er dafür die goldene Palme in Cannes, sein Film DER DIALOG (THE COVERSATION) wurde bereits 1974 mit dem wichtigsten Preis des Festivals ausgezeichnet.

Und jetzt MEGALOPOLIS. Hat sich Coppola mit seinem wahrscheinlich finalen Alterswerk zu viel vorgenommen, den Stoff zu lange hin und her bewegt und sich dabei verirrt?

Oder war es ihm mit seinen 85 Jahren am Ende gleichgültig, was die Kritik und die Filmwelt ihm entgegenbringen? Es scheint, als wolle er kompromisslos Grenzen überschreiten – ein Film wie ein Rausch, ein Trip.

Und: vielleicht sind wir ja auch nach nicht reif für einen Film, der die gängigen dramaturgischen und filmästhetischen Regeln sprengt und Francis Ford Coppola hat einen Film geschaffen, der in einigen Jahren als Meisterwerk gefeiert wird.

Anschauen sollte man sich MEGALOPOLIS unbedingt, der Film ist ein Feuerwerk aus Geschichten, Bildeinfällen, Farben und visuellen Möglichkeiten. Es ist das Werk eines Regisseurs, der längst alles erreicht hat und deswegen frei zu sein scheint, seine ureigenen Visionen und Träume auf die Leinwand zu projizieren.

Filmtitel: MEGALOPOLIS
Regie: Francis Ford Coppola
Drehbuch: Francis Ford Coppola
Produktion: American Zoetrope
Länge: 138 Minuten
dt Verleih: Constantin Film
Kinostart: 26.9.2024

copyright Constantin Film
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3/5

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