FÜNF FILME - Meine Favoriten (Okt/Nov 24)

copyright Pandora Film Production GmbH

IN LIEBE, EURE HILDE

Andreas Dresen ist ein Meister der leisen Zwischentöne und der präzisen Erzählweise (WOLKE 9 / HALT AUF FREIER STRECKE / GUNDERMANN / RABYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH). Das beweist er einmal mehr in seinem Film IN LIEBE, EURE HILDE.
Der Film basiert auf der wahren Geschichte von Hilde und Hans Coppi. 1943 wurden die junge Frau (großartig: Liv Lisa Fries als starke, stille Heldin) und ihr Ehemann Hans (Johannes Hegemann) von den Nazis zum Tode verurteilt und in Berlin Plötzensee hingerichtet. Die Anklage: Mitwirkung bei der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“. Hilde Coppi war bei ihrer Verhaftung schwanger und bekam ihr Kind im Gefängnis.
Insgesamt wurden zwischen 1942 und 1943 mehr als 50 Mitglieder der Aktivistengruppe ermordet.

Dresen gelingt es, die Geschichte der Widerstandskämpfer in der NS-Zeit ohne die gängigen, ikonischen Bilder zu erzählen, keine bildbeherrschenden Nazikreuze, keine krawalligen NS-Chargen, keine Aufmärsche. Sensibel, authentisch und bisweilen sogar in heiteren Episoden zeichnet er ein Bild der Zeit und der jungen Aktivisten, die erstaunlich modern wirken. Umso eindringlicher spürbar wird die menschenverachtende Ideologie des NS-Regimes, die Willkür und zerstörerische Macht. Ein großer, ein wichtiger Film.

Filmstart:

17.10.24

Regie:

Andreas Dresen

Drehbuch:

Laila Stieler

Produktion

Pandora Film Produktion GmbH, 

Deutschland 2024

 
copyright Scythia Films/Profile Pic./Tailored Films/Gidden Media/Kinematics

THE APPRENTICE - THE TRUMP STORY

Schaut man nicht gern die Geschichten von „Unsympathen“? Erst Recht, wenn gerade einer dieser Menschen erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde? Dass Donald Trump ein Populist und ein Sexist mit höchst unguten narzisstischen Zügen ist: bekannt. Nach dem amerikanischen Wahlkampfdesaster ist es vielleicht erhellend, mehr über die Vergangenheit des wiedergewählten US-Präsidenten zu erfahren. THE APPRENTICE (dt. Der Lehrling) ist der erste Spielfilm, der sich mit Trumps Leben auseinandersetzt, auch die Ehe mit seiner ersten Frau Ivana steht im Fokus.

Ali Abassi, der dänisch-iranische Regisseur, geht zurück zu Trumps „Lehrjahren“, in die 70iger und 80iger Jahre. Der junge Trump (Sebastian Stan) ist damals Vizepräsident in „Papas“ Immobilienunternehmen: tölpisch, unsicher aber schon auf der Suche nach den Hebeln der Macht. Dann lernt er seinen Mentor kennen, den erzkonservativen und skrupellosen Anwalt John Cohn (brillant: Jeremy Strong). Cohn gibt ihm drei Grundregeln an die Hand:
,,Immer angreifen, nichts zugeben und niemals eine Niederlage akzeptieren“.

Kommt Ihnen das bekannt vor? THE APPRENTICE ist ausdrücklich ein fiktionales Biopic, dennoch entlarvend. Trumps Anwälte hatten schon nach der Cannes – Premiere im Mai eine Unterlassungsaufforderung an die Produzenten geschickt, bewirkt hat das bis jetzt wenig. Seit dem 11. Oktober läuft der Film auch in den amerikanischen Kinos. Jetzt, nach Trumps Wiederwahl, dürfte es spannend sein, zu beobachten, welchen Weg THE APPRENTICE – THE TRUMP STORY in Zukunft gehen wird.

Filmstart:

17.10.24

Regie:

Ali Abbasi

Drehbuch:

Gabriel Sherman

Produktion

Scythia Films/Profile Pic./Tailored Films/Gidden Media/Kinematics
Kanada/USA/Dänemark/Irland 2024

copyright Beatrice Minder, Christoph Schaub

E. 1027 - EILEEN GRAY UND DAS HAUS AM MEER

Eileen Gray war eine hochbegabte Künstlerin in den 30iger Jahren. Sie stand – wie sollte es anders gewesen sein in dieser Epoche – im Schatten ihrer männlichen Kollegen. Zu Unrecht. Der Film erzählt ihre Geschichte. Im Zentrum: ihr wunderbares, avantgardistisches Haus an der Côte d’Azur, das E.1027. 1929 baut die irische Designerin gemeinsam mit dem rumänischen Architekten Jean Badovici ihr ganz persönliches Refugium: weite, offene Räume, bis zum letzten Winkel durchdacht, geplant und gestaltet, ein Meisterwerk der modernen Architektur.

Als sich der berühmte Architekt Le Corbusier für den Bau begeistert und gegen den Willen der Architektin die Wände bemalt, hat sie sich schon längst wieder aus der männerdominanten Künstlerwelt zurückgezogen und überlässt ihrem Freund Jean Badovici das Haus.

Die schweizerische Regisseurin Beatrice Minger hat mit Christoph Schaub (Drehbuch) diese Dokufiktion geschaffen. Der Film ist ein Kunstwerk für sich. Filmische Sequenzen (Dokumentar- und Spielfilm), Theatersituationen vermischt mit Archivmaterial zeichnen das Bild einer Künstlerin, die ihrer Zeit weit voraus war. Eine Dokufiktion, die mich auch wegen ihrer herausfordernden, hybriden Machart in den Bann gezogen hat.

Filmstart:

24.10.24

Regie:

Beatrice Minder, Ko-Regie Christoph Schaub

Drehbuch:

Beatrice Minger in Zusammenarbeit mit Christoph Schaub

Produktion

mit Unterstützung von Swiss Films
Schweiz 2024

Vincent Productions

RIEFENSTAHL

Wer war Leni Riefenstahl wirklich? Dieser Frage versucht der bekannte Dokumentarfilmer und Spielfilmregisseur Andres Veiel (DIE ÜBERLEBENDEN / BLACK BOX BRD / WER, WENN NICHT WIR / BEUYS) in seinem Film nachzugehen. Gemeinsam mit Produzentin Sandra Maischberger nahmen sie sich den riesigen Nachlass (700 Kisten) der im NS-Regime gefeierten Propagandaregisseurin vor.

Der Film entlarvt die Widersprüche dieser Frau, einer gekonnten Selbstdarstellerin, überzeugten Faschistin im Dienste Hitlers und einer Opportunistin. Bis zu ihrem Tod mit 101 Jahren (2003) behauptete Leni Riefenstahl, nichts vom Holocaust gewusst zu haben.

Ausschnitte ihrer Propagandafilme, (die bekanntesten TRIUMPH DES WILLENS 1935 und OLYMPIA, 1938) stehen in Veiels Dokumentation neben Fundstücken aus ihrem Archiv: unveröffentlichten Privataufnahmen, entlarvenden Telefonmitschnitten, Briefkorrespondenzen und Interviews aus verschiedenen Zeitepochen. „Eine Meisterin der Lügen und Legenden“, nennt Andres Veiel seine Protagonistin, entlarvt Leni Riefenstahls lebenslanges Mantra „Ich habe nichts gewusst“ und die widersprüchlichen Versionen ihrer Aussagen.

Der Film beschränkt sich nicht auf biografische Fakten, er taucht tief ein in die psychischen Hintergründe einer Frau, die bis zu ihrem Ende sich selbst und die Welt belogen hat. Unbedingt anschauen!

Filmstart:

31.10.24

Regie:

Andres Veiel

Drehbuch:

Andres Veiel

Produktion:

Sandra Maischberger

Verleih:

Vincent Productions

Deutschland 2024

copyright Mons Veneris Films GmbH

WISDOM OF HAPPINESS / WEISHEIT DES GLÜCKS

Der 14. Dalai Lama empfängt. Im Film WEISHEIT DES GLÜCKS wendet sich das Oberhaupt der Tibeter in frontaler Kameraeinstellung direkt an die Zuschauer, gewissermaßen eine Art Privataudienz.

Der Friedensnobelpreisträger hat uns einiges zu sagen: über Themen wie den Klimawandel, die Umweltzerstörung, über Kriege und über die Frauen: “Es ist unsere gemeinsame Verantwortung unsere Erde zu beschützen, zu retten. Stattdessen führen wir Kriege und machen uns selbst viele Probleme. Unsere Erde ist unser einziges Zuhause“, erklärt das Oberhaupt der tibetischen Kirche. Überraschend emanzipatorisch äußert sich der spirituelle Führer über Frauen: „Männer gebrauchen zu viel Gewalt. Ich glaube, Frauen liegt das Wohlergehen ihrer Mitmenschen im Allgemeinen mehr am Herzen. Die Welt wäre ein sicherer Ort, wenn wir mehr Frauen in verantwortlichen Positionen hätten“.

WEISHEIT DES GLÜCKS ist das Porträt eines außergewöhnlichen spirituellen Führers, dem es wichtig ist, der Menschheit mit seiner Botschaft zu helfen. Der amerikanische Schauspieler und Menschenrechtsaktivist Richard Gere hat den Film mitproduziert, ein persönliches Anliegen, er selbst ist bekennender Buddhist.

Neben den Interviewpassagen gibt es beeindruckende Landschaftsaufnahmen, die die Botschaften vertiefen. Es sind weniger neue Erkenntnisse, die die Dokumentation sehenswert machen, sondern die Ausstrahlung des Dalai Lamas und seine Intensität. Der Film fühlt sich an, wie eine mit positiver Energie geladene Meditationsstunde. Ein Kinoerlebnis, nicht nur für Buddhisten.

Filmstart:

7.11 24

Regie:

Barbara Miller, Philip Delaquis

Buch:

Barbara Miller, Philipp Delaquis

Produktion

Philipp Delaquis, Das Kollektiv für audiovisuelle Werke, Mons Veneris Films GmbH, Richard Gere
Schweiz 2024, Originalsprache englisch

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