Regie: Ali Samdi Ahadi
Drehbuch: Mohammad Rasoulof
Sieben Tage, um eine Lebensentscheidung zu treffen.
Sieben Tage Hafturlaub werden Maryam wegen einer medizinischen Behandlung gewährt. Für sieben Tage darf die Menschenrechtsaktivistin das Gefängnis im Iran verlassen.
Flucht, um mit der Familie im Exil in Deutschland zu leben oder Widerstand in einem harten und gefährlichen Kampf im autoritären Mullah-Staat Iran?
Ihr Bruder und ihr Ehemann in Deutschland haben heimlich schon einen detaillierten Fluchtplan ausgearbeitet. Mit Hilfe von Schleppern und Freunden soll Maryam aus dem Iran in die Türkei geschleust werden, um dann mit ihrer Familie nach Deutschland zu reisen.
Doch will Maryam das wirklich?
Sie wünscht sich sehnsüchtig, ihre beiden Kinder und ihren Mann wiederzusehen und mit ihnen zusammen zu sein. Doch eine Flucht ins Exil nach Deutschland würde bedeuten, dass sie ihre politische Arbeit im Iran für die Rechte der Frauen nicht mehr ausführen kann.
SIEBEN TAGE, so heißt das ergreifende Drama des iranischen Regisseurs Ali Samadi Ahadi.
Der Film stellt zentrale Fragen: wie weit kann der Widerstand gegen ein autokratisches, menschenverachtendes System gehen und wie hoch ist der Preis dafür?
Um ihre Familie zu sehen, begibt sich Maryam auf den langen Weg über die Fluchtrouten im Norden des Irans in die Türkei. Eine Route voller Hindernisse und Gefahren. Der Film begleitet sie auf ihrer strapaziösen Reise. Ein gefährlicher Weg über die Berge mit vielen Stationen und unvorhergesehen Hindernissen, Schneestürmen und eisigen Temperaturen. Nicht immer ist sich Mayram sicher, ob sie ihren Begleitern trauen kann und den richtigen Weg zum Treffpunkt erreichen wird.
In Deutschland sind ihr Mann und ihre Kinder mit einem Flugzeug in die Türkei gestartet, um an der türkischen Grenze auf Maryam zu warten. Wird sie mit ihrer Familie nach Deutschland kommen?
Regisseur Ali Samadi Ahadi sagt zu seinem Film:
,,Seit mehr als 45 Jahren stehen Millionen Menschen von Iranern immer wieder vor der Frage: soll ich bleiben, die Situation ertragen und versuchen, sie zu verändern? Oder soll ich das Land verlassen, ein neues Leben in Frieden und Freiheit beginnen und von dort aus etwas bewirken? Sie sind sich bewusst, dass der Preis des Bleibens sehr hoch ist, während der Weg ins Exil mit Schmerzen verbunden ist…
Unsere Hauptprotagonistin Maryam steht vor genau diesem Dilemma, sie weiß, dass die Wahrscheinlichkeit einen Großteil ihres Lebens im Gefängnis zu verbringen sehr hoch ist, wenn sie bleibt.
Wenn sie das Land verlässt, kann sie mit ihrer Familie in Frieden und Freiheit leben, aber sie wird nie die Wirkung erzielen, die sie im Land selbst erzielen könnte.“
Das Drehbuch zu SIEBEN TAGE stammt vom oscarnominierten Regisseur und Drehbuchautor Mohammad Rasoulof.
Rasoulofs Filme handeln immer wieder von den Repressionen durch das ultra-religiöse Regime im Iran. Wegen seiner systemkritischen Haltung saß er viele Male im Gefängnis, bekam immer wieder Arbeitsverbot. Seine Filme erregen international großes Aufsehen, wurden vielfach prämiert.
Vor einem Jahr entschloss sich Mohammad Rasoulof endgültig zu einer Flucht nach Deutschland, nachdem ihm wieder Haft bevorstand. Seinen letzten Film DIE SAAT DES HEILIGEN FEIGENBAUMS konnte der Regisseur nach geglückter Flucht 2024 sogar persönlich in Cannes vorstellen. Das Werk gewann den „Preis der großen Jury“, beim Deutschen Filmpreis wurde der Film kürzlich mit 2 Lolas ausgezeichnet.
Noch im Iran schrieb Mohammad Rasoulof das Drehbuch zu SIEBEN TAGE. Bereits vor seiner Flucht bat er seinen Kollegen Ali Samadi Ahadi in Deutschland, das Projekt zu übernehmen, weil der Druck im Iran auf ihn zu groß sei.
SIEBEN TAGE ist angelehnt an das Leben von Narges Mohammadi, eine der bekanntesten iranischen Menschenrechtsaktivistinnen, die sich insbesondere gegen die Unterdrückung von Frauen und Minderheiten engagiert. 2023 erhielt Mohammadi den Friedensnobelpreis. Seit den 1990 er Jahren wurde sie immer wieder inhaftiert und von ihrer Familie getrennt. Nach einem kurzen Hafturlaub Ende 2024 aus medizinischen Gründen, hat sie die Haft nicht mehr angetreten, mit allen Konsequenzen, die daraus folgen können. Mohammadis Kinder und ihr Ehemann leben seit 10 Jahren im Exil in Frankreich.
Narges Mohammadi ist überzeugt, dass die internationale Unterstützung, die Medien und die Weltöffentlichkeit eine wichtige Rolle für die Frauenbewegung im Iran spielen können. Sie stelle fest, dass der Widerstand gegen das autoritäre Mullah Regime wachse und die iranische Gesellschaft sich in den letzten Jahren verändert habe.
Die Dreharbeiten zu SIEBEN TAGE fanden aus Sicherheitsgründen zu großen Teilen in Georgien statt, nur wenige, wesentliche Szenen drehten Ali Samadi Ahadi und sein Team verdeckt im Iran.
Es sind beindruckende Bilder, die Kameramann Mathias Neumann schafft, minimalistisch, oft dicht bei den Schauspieler:innen, viele Aufnahmen mit der Handkamera, die die beklemmende, intensive Atmosphäre des Dramas verstärken.
In bewegenden Einstellungen schildert der Film, wie sich Maryam und ihre Familie im winterlichen Grenzgebirge der Türkei treffen. Nach anfänglichem Zögern entsteht wieder eine warme Vertrautheit zwischen Maryam, ihrem Ehemann Behnam, (Majid Bakhtiari) und den Kindern. Die Familie erlebt ausgelassene Tage. Doch die scheinbare Harmonie trügt. Behnam erfährt es als Erster und später auch die Kinder Dena (Tanaz Molaei) und Alborz (Sam Vafa): Maryam wird nicht mit ihnen zusammen nach Deutschland kommen.
Sie will in den Iran zurückkehren und ihren Kampf fortführen. Verzweifelt fragt Dena ihre Mutter: „Warum zählen deine Ideale mehr als ich?“
SIEBEN TAGE thematisiert die Zerrissenheit der Aktivist:innen, die sich unter Lebensgefahr gegen das willkürliche Unrechtssystem im Iran einsetzen, um für Freiheit und Menschenrechte zu kämpfen. Und der Film zeigt, wie schwer diese Entscheidung wiegen kann. Oft verbringen sie viele Monate, gar Jahre von ihrer Familie getrennt im Gefängnis, in einem Land, in dem die Hinrichtungen zunehmen.
Wie kann der Widerspruch gelebt werden, zwischen den Werten, für die man kämpft und der Familie?
Dieser Zwiespalt der Gefühle wird besonders deutlich durch das großartige Spiel von Vishka Asayesh als Maryam. Ihr gelingt es, oft in Großaufnahme, die schmerzhafte Gespaltenheit zu zeigen, die Zweifel und die Trauer. Sie ist gefangen zwischen der Liebe zu ihrem Mann und den Kindern und ihrer Aufgabe als Freiheitskämpferin für die Rechte der Frauen im Iran – ein Kampf, den sie nicht aufgeben kann und will.
SIEBEN TAGE ist ein hochaktueller, intensiver und dabei eher leiser Film, ein fesselndes Drama über den Preis der Freiheit und den Mut zum Widerstand.
Am Ende steht ein Zitat der Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi
„Ich hoffe, meine Kinder wissen, dass ich, wie alle „Ungehorsamen“ und „Gebrandmarkten“ Mütter auch eine liebende Mutter war, deren Herz immer noch vor intensiver Sehnsucht nach ihren Kindern schlägt“
Narges Mohammadi, Evin Gefängnis, 2024